Sonntag, 14. Februar 2010

Forschungsprojekt

14. Februar 2010
Zeuge Jehova schreibt aggressiven Kommentar

40 Reaktionen hat es inzwischen auf einen Bericht gegeben, den ich am 13. Dezember 2009 über ein Forschungsprojekt der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität geschrieben habe. Veröffentlicht wurde er im Bürgerportal Readers Edition. Erforscht werden sollen „Religiosität und Gottesbild im Umfeld der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas“. Der Ansatz ist also leicht verändert worden. Als ich den Artikel schrieb, lautete der Arbeitstitel noch „Religiosität und Gottesbild bei ehemaligen Zeugen Jehovas“. Eine Hypothese lautet: „Religion kann auch krank machen.“


Das hört ein gewisser David R. wohl nicht gern. In einem nächtlichen Kommentar lässt er seinen Aggressionen freien Lauf, er schreibt: „Hi Leute,
ihr habt alle das Thema verfehlt: Es ging doch um Forschungsprojekt der Uni München: Gottesbild ehemaliger Zeugen Jehovas

Also all ihr ´lieben´ ehemaligen Zeugen Jehovas, die Ihr Euren ganzen Hass aus eure ehemaligen Brüder und Schwester ausschüttet (o wie dumm und naiv diese Zeugen doch alle sind) und auf die WT-Gesellschaft …. es geht um Euer Gottesbild !

Verstanden: Was denkt Ihr über Gott jetzt ?? Habt ihr alles vergessen ? Glaubt Ihr noch an Ihn oder habt Ihr ihn einfach aus Eurem Leben ´ausgelöscht´, damit Ihr besser schlafen könnt ? Darum geht es …

Im übrigen sind wir echt froh, dass ihr nicht mehr bei uns seid. Auf euch können wir gerne verzichten !!! Eure Depressionen sind vielleicht schon etwas älter … oder seit ihr schon immer etwas geistig gestört gewesen ???“

Mit diesem Kommentar hat David R. seiner Glaubensgemeinschaft einen Bärendienst erwiesen, denn in der Außendarstellung geben sich Zeugen Jehovas eher nett und harmlos. Dieses Bild bekommt erst Kratzer, wenn man die Schriften dieser Glaubensgemeinschaft liest. Und mit diesem Kommentar nun auch. Die Angst davor, dass die Irrtümer, die von der Wachtturmgesellschaft verbreitet werden und verbreitet worden sind, ein Zeichen dafür sein könnten, dass man doch nicht „in der Wahrheit“ lebt, scheint nicht nur bei David R. groß zu sein, denn das Forschungsprojekt gibt keinen Anlass zu solchen Reaktionen.

Professor Dr. Wolfgang Mertens als Leiter des Forschungsprojektes teilt inzwischen zwar mit, dass sich „bereits ausreichend viele Probanden zur Teilnahme bereit erklärt haben“, aber Ergebnisse werde es erst in „einiger Zeit“ geben. Interviews machen und diese auswerten, das dauere.

Gehen Zeugen Jehovas wie David R. etwa schon von einem bestimmten Ergebnis aus, das da lauten würde: Die Religion und das Gottesbild der Zeugen Jehovas machen krank?

12. Dezember 2009
Das Gottesbild ehemaliger Zeugen Jehovas

„Bewahrt euch in Gottes Liebe“ lautet der Titel einer Broschüre, die im vorigen Jahr von der Wachtturmgesellschaft herausgegeben worden ist und von den Zeugen Jehovas verbreitet wird. Auf der Rückseite werden Fragen gestellt: „Wie kannst du beweisen, dass du Gott wirklich liebst?“ „Wann kannst du deinem Gewissen trauen?“ „Wie bestimmt eigentlich dein Verhältnis zu Autorität Gottes Verhältnis zu dir?“ „Warum ist es das Beste, Gottes Moralprinzipien zu deinen eigenen zu machen?“ „Wie kann dir deine Arbeit ein Gefühl der Zufriedenheit geben?“ „Wie erhältst du dir deinen Herzenswunsch, immer auf Jehova zu hören?“


Bedingungslos ist die Liebe des Gottes der Zeugen Jehovas also nicht. Steht auch auf Seite 7: „An der Formulierung ´bewahrt euch´ kann man ablesen, dass wir etwas tun müssen, wenn wir in Gottes Liebe bleiben möchten.“ Dazu gehört: „Halte dem Teufel und seinen Machenschaften stand.“ (Seite 183) Der Teufel der Zeugen Jehovas ist angeblich nicht erfreut, wenn sich jemand als Zeuge Jehova taufen lässt: „Es gibt da allerdings noch andere, die bei solchen Anlässen zuschauen, sich aber maßlos darüber ärgern: Satan und die Dämonen. Sie kochen vor Wut, wenn sie sehen, dass Tausende der kaputten Welt den Rücken kehren.“

Zum Gottesbild der Zeugen Jehovas gehören also Gegenspieler, vor denen man ausschließlich unter dem Dach der Wachtturmgesellschaft Schutz findet. Nun wird dieses Gottesbild Gegenstand eines Projektes der Abteilung Psychoanalyse und psychodynamische Forschung an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Dazu Projektleiter Professor Dr. Wolfgang Mertens: „Hintergrund ist die Erforschung der Religiosität bei der Persönlichkeitsentwicklung und der Bewältigung von Lebenskrisen. Obwohl der Religiosität meistens eine positive und helfende Rolle bei der Lebensbewältigung zugeschrieben wird, zeigen neuere Studien, dass Religion auch krank machen kann und daher nicht selbstverständlich vom heilsamen Glauben gesprochen werden kann.“

Für das Forschungsprojekt „Religiosität und Gottesbild“ werden ehemalige Zeugen Jehovas gesucht. Die Interviews dauern 30 bis 45 Minuten. Die Gespräche können persönlich oder am Telefon geführt werden. Herausgearbeitet werden soll dabei „die wichtige Rolle des Glaubens“. Denn: „Der Glaube hat gerade für religiöse Menschen eine besondere Bedeutung in schwierigen Lebenslagen. Entscheidend ist, ob dieser Glaube mit positiven oder negativen Werten und Bildern verbunden wird. So kann ein Glaube, der mit einem negativen Gottesbild belastet ist, nicht dem Heil oder der Heilung dienen.“

Weitere Informationen: Professor Dr. Wolfgang Mertens, Lehrstuhl für Klinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, Leopoldstraße 13, 80802 München, Telefon 089/2180-5196.

Kommentare zu diesem Projekt

Donnerstag, 11. Februar 2010

Esoterik-Markt

11. Februar 2010
Klopf, klopf - Energie fließt wieder

Hilft gegen alles, gibt es zwar nicht, kann man aber behaupten. Wie Professor Dr. phil. Ruthard Stachowske auf den Seiten seines Institutes für mehrgenerationale Forschung und Therapie (IMFT), das 1996 gegründet worden ist, wenn er dort verlautbaren lässt: „Die Durchführung von Therapien nach der Energiefeldtherapie-Methode (EFT)“ gehöre zu den Zielen auch in der von ihm geleiteten Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch.

In den höchsten Tönen gepriesen wird diese Methode ebenfalls auf den Seiten www.gesundheitstrends.de, die von Birmingham aus ins Netz gelangen und mit dem Hinweis versehen sind, dass man keinesfalls auf einen Arztbesuch verzichten sollte: „Emotional frei ist nicht, wer schmerzhafte Erinnerungen verdrängt, sondern wer Schmerz und Erinnerung trennt. Gary Craig, der die energetische Heilmethode ´Emotional Freedom Techniques (EFT)´ entwickelt hat, sieht den Grund für jedes negative Gefühl in der Unterbrechung des Energiesystems des Körpers. Die Energiefeld-Therapie habe eine heilende Wirkung, weil durch das sanfte Klopfen auf blockierte Meridiane die Energie wieder ins Fließen gelange und sich durch gleichzeitiges Benennen der belastenden Erfahrungen die gewünschte Loslösung davon im Gehirn verankert. Auf diese Weise lassen sich - auch in der Selbstbehandlung - Ängste, Phobien und Traumata erfolgreich behandeln.“

Der Erfinder dieser Methode ist ein amerikanischer Ingenieur, der sich aus der chinesischen Medizin bedient hat. Hierzulande allerdings werden solche Weisheiten eher in die Nähe des Okkultismus gerückt. Doch Esoterik boomt und ist ein Milliardengeschäft. Manche schlürfen angeblich heilende Substanzen und schwören auf diese Bachblüten, die ebenso angeblich gegen alles Hilfe leisten. Andere gehen gleich zu den Scientologen und bringen ihre Engramme aus dem reaktiven mind beim Auditing zur Sprache, die beim Begleichen der Rechnung ins Stottern geraten kann. Jeder Humbug findet seinen Platz auf dem Esoterikmarkt.

Interessant sind immer die Parallelen: Auch L. Ron Hubbard hat seine Methode in den Anfangsjahren als Selbstheilungsmethode angepriesen. Die Scientology Church gab es noch nicht, als dieser Science-fiction-Autor behauptete, er habe sich sozusagen im Alleingang von schweren Krankheiten wieder befreit. Doch irgendwann merkt jeder, dass er auf eine Goldader gestoßen ist und schon ist aus einer Selbstheilungsmethode eine Methode geworden, die andere so lange erlernen müssen, bis sie endlich vergessen haben, dass es Anlass zur Methodenkritik gegeben hätte.

Vieles schmerzt. Eine Trennung. Der Verlust des Arbeitsplatzes. Der Tod eines lieben Menschen. Die schlechten Zeugnisse der Kinder. Die Niederlage des Lieblingsvereins. Ein Sturz. Ein Bankkonto mit roten Zahlen. Manche Fernsehprogramme. Aber wie trennt man da den Schmerz von der Erinnerung? Kann man um 17.18 Uhr noch beim Schlusspfiff des letzten Saisonspiels geheult haben, weil nun der Abstieg der Elf dort unten besiegelt ist und sich um 17.23 Uhr schon wieder auf die Schulter klopfen, da jedem Abstieg auch ein Aufstieg folgen kann? Geht nicht. Denn dazu müsste man sich an die Regeln im Fußballgeschäft erinnern. Dafür erforderlich sind: gespeicherte Informationen. Auch schmerzhafte.

Wenn Intelligenz bedeutet, dass man sich in unbekannten Situationen mit dem vorhandenen Wissen zurechtfindet, dann hätte die Energiefeldtherapie Dummheit zur Folge. Wenn sie erfolgreich wäre. Ist sie aber nicht. Das ist gut so, denn der Mensch ist keine Maschine, aus der bestimmte Teile einfach entfernt werden können und die mit neuen Teilen wieder in Schwung gebracht werden kann. Wer behauptet, er könne an der Seele herumschrauben oder sie weich klopfen, ist ein Scharlatan. In welchem Gewand diese Scharlatane daherkommen, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass der Volksmund dafür den Begriff „Seelenklempner“ geprägt hat.

Sollte nun jemand meinen, dass mit der Energiefeldtherapie die esoterischen Grenzen abgesteckt sind, der irrt sich gründlich. Auch nach Craig kommt immer noch was, beispielsweise der Energiekörper. Den allerdings können nur medial Veranlagte sehen, heißt es auf den einschlägigen Seiten. Schon bricht man auf zu glücklicheren Ufern, die man laut Bhagwan, der seine Guru-Laufbahn 1969 begonnen hat, aber nur erreichen kann, wenn man sich als Gefäß betrachtet, dass geleert werden muss. Wohin derlei Entleerungen führen können, hat Giovanni Trappatoni 1998 als Trainer von Bayern München in seiner legendären Wutrede über die Spielweise seiner Mannschaft so zum Ausbruch gebracht: „Flasche leer“. Deswegen habe er fertig. Wenn das nicht Warnung genug ist…