Donnerstag, 3. Juni 2021

Was denn nun?

Aus der Neuapostolischen Kirche ausgetreten oder ausgeschlossen?

Es gibt Experten, die meinen, den Leuten erklären zu können, was Menschen in die Sekten treibt und warum sie dort bleiben. Angeblich handelt es sich dabei vornehmlich um Labile, die einen Halt brauchen und diesen Halt in diesen Gruppen finden. Wohin das führen kann, soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden. Der Mann heißt William Edgar Erry und hat in der Neuapostolischen Kirche (NAK) eine führende Rolle gespielt.

Über den vor sieben Jahren im Alter von 90 Jahren in London verstorbenen Kirchenpräsidenten der NAK (intern werden sie Apostel genannt) heißt es im Online-Lexikon APWiki: "1974 trennte sich Apostel Erry von der Neuapostolischen Kirche." Das Zentralarchiv der NAK vermerkt dagegen: "Nach seiner Amtsenthebung und dem Kirchenausschluss im Jahre 1974 gründete er die United Apostolic Church in Indien."

Da die beiden Quellen der Neuapostolischen Kirche zuzuordnen sind, werden an der NAK-Geschichte Interessierte jetzt stutzen: Was ist denn nun? Wurde Erry rausgeworfen oder ist er gegangen? Die Antwort zeigt, wie diese Glaubensgemeinschaft mit Tatsachen umgeht. Wüssten die einen, wie oft sie getäuscht werden, würden sie den angeblichen Halt verlieren, deswegen wollen sie die Wahrheit gar nicht wissen, während die anderen sich selbst täuschen müssen, weil die Wahrheit zu schmerzlich ist. 

Erst einmal: Nach neuapostolischer Auffassung braucht eine Glaubensgemeinschaft Apostel. Wer sie nicht hat, ist nach heutiger NAK-Lehre zwar nicht mehr ganz verloren, aber irgendwie benachteiligt. Und wenn ich nun zitiere, was mir William Edgar Erry in einem persönlichen Gespräch vor rund 30 Jahren gesagt hat? Er sagte: "Ich weiß, dass ich kein Apostel bin, denn ich bin von einem Menschen in mein Amt gesetzt worden und nicht von Jesus. Ich nenne mich nur weiter Apostel, um nicht für noch mehr Verwirrung zu sorgen."

Was ihm geschehen war, trug er zwar mit einem Anflug von Humor, er ahnte aber wohl auch, was er mit seiner Erkenntnis hätte lostreten können. Ausgeschlossen wurde er seinem Bericht zufolge, bevor er zurücktreten konnte, übrigens im Jahre 1974, weil es in Kanada Zoff mit einem einflussreichen NAK-Funktionär gegeben hatte, der so weit gegangen sei, dass es hieß: "Entweder fliegt der Erry oder ich spalte die NAK." Es ging um Geld-wie so oft...Dieser kanadische Funktionär reagierte später auf drei Fragen von mir höchst aggressiv. Er drohte mir per Fax mit der "ganzen Wucht der deutschen Justiz". Sie traf mich allerdings nicht.

Mein Kontakt mit William Edgar Erry kam übrigens zustande, weil mir jemand erzählt hatte, Erry habe eine nahe Verwandte in meinem Geburtsort, sein Auto stehe gerade bei ihr vor der Tür. Später bekam ich auch noch einen Brief von ihm. Zu jener Zeit behauptete die NAK, sie habe in Errys Missionsgebiet 1,5 Millionen Mitglieder. Dazu sagte er: "Da täuschen sie sich um ein paar Nullen und zwar vor dem Komma."

Bei den Mitgliederzahlen gemogelt haben soll die NAK eigenen Darstellungen zufolge übrigens auch während des Hitlerfaschismus. Ob das wahr ist, sei dahingestellt, auf jeden Fall will sich die NAK mit dieser Behauptung von dem Vorwurf reinwaschen, sie sei mit ihrer Anbiederung bei den Faschisten auch noch erfolgreich gewesen. 

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