Samstag, 8. Mai 2010

Ein Münchner vor Gericht

6. Januar 2010
Staatsanwalt ermittelt: Wer hat denn nun gelogen?

Manche Fälle schwimmen nicht so schnell weg - jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Münchner, der von sich behauptet hat, er sei bei den Zeugen Jehovas Ältester gewesen.

Die Geschichte beginnt am 13. August 2007 mit einem Interview. Meine Gesprächspartnerin war eine Großmutter aus Leverkusen, die ihre Enkel nicht sehen darf, weil sie den Zeugen Jehovas kritisch gegenüber steht. Ein Zitat aus diesem Artikel nahm diese Glaubensgemeinschaft zum Anlass für eine Klage vor dem Hamburger Landgericht. Dabei ging es um das Verhalten gegenüber Ausgeschlossenen. Die erste Hälfte des Zitats fand zwar ebenfalls das Missfallen des Anwaltes der Zeugen Jehovas, doch geklagt wurde lediglich gegen die zweite Hälfte, bei der es um Ehepartner ging, die religiös getrennte Wege gehen.

Die Klage war kaum publik geworden, als sich eine Hamburgerin als Zeugin zur Verfügung stellte. Nach dem ersten frühen Termin vor dem Hamburger Landgericht nahm sie Kontakt auf mit jenem Münchner, der angeblich Ältester bei den Zeugen Jehovas war. Das bestritt sogleich der Anwalt der Zeugen Jehovas. Armin Pikl versicherte, der Münchner habe bei den Zeugen Jehovas nie ein „geistliches Amt“ bekleidet.

Im September 2008 untersagte mir das Hamburger Landgericht die Wiederholung der zweiten Hälfte des Zitates, die Akte wurde geschlossen, weil ich auf eine Berufung verzichtete.

Doch ein gutes halbes Jahr später gab es für mich ein Wiedersehen mit dem Münchner, dieses Mal vor dem Amtsgericht in der bayerischen Landeshauptstadt. Er hatte mich verklagt. Diese Klage untermauerte er mit einer Eidesstattlichen Versicherung vom 3. April 2009. Darin stellte er erneut die Behauptung auf: „Ich war auch Ältester (leitendes Mitglied) der Zeugen Jehovas.“

Blieben zwei Möglichkeiten: Entweder hatte der Anwalt der Zeugen Jehovas das Hamburger Landgericht belogen oder der Münchner das Landgericht in Hamburg und das Amtsgericht in München. Also stellte ich bei der Staatsanwaltschaft in München Strafantrag wegen falscher Versicherung an Eides Statt.

Seither sind über neun Monate vergangen, doch jetzt werden Zeugen vernommen. Ich bin am 18. Januar dran. Ob auch der Münchner und Anwalt Armin Pikl Vorladungen bekommen haben, entzieht sich noch meiner Kenntnis. Ich werde es demnächst wohl erfahren.

Manche Fälle schwimmen eben nicht so schnell weg. Manche kommen immer wieder nach oben. Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich erst einmal davon aus, dass der Anwalt der Zeugen Jehovas sich unterstehen würde, das Landgericht in Hamburg auf plumpe Art und Weise zu belügen.

11. Januar 2010
Im Verfahren Zeugen Jehovas gegen Tjaden vor dem Landgericht Hamburg (Az. 324 O 179/08)

Hat der Anwalt der Zeugen Jehovas am 4. September 2008 an das Gericht geschrieben: "Herr W. hat niemals ein geistliches Amt bei der Klägerin bekleidet, schon gar nicht das eines Ältesten. Insofern ist der Beklagte hier einer Amtsanmaßung des benannten Zeugen zum Opfer gefallen. Der geschilderte Fall setzt aber die Kenntnis eines Ältesten voraus."

Im Verfahren Olaf W. gegen Tjaden vor dem Münchner Amtsgericht

Hat der Kläger am 3. April 2009 folgendes versichert: "In Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung erkläre ich, Olaf W., folgendes:

Ich war seit meiner Kindheit Mitglied der Zeugen Jehovas. Ich war auch Ältester (leitendes Mitglied) der Zeugen Jehovas."

§ 156 StGB lautet:

Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Auch Anwalt der Zeugen Jehovas soll vernommen werden

Wilhelmshaven - 18. Januar 2010 (tj). 40 Minuten auf dem Polizeirevier, eine Beamtin, die mich befragt, eine, die das Protokoll führt. Gefragt werde ich erst einmal, wie ich auf das Sekten-Thema gekommen bin. Ich berichte von einer Anzeige, die ich 1988 im hannoverschen Stadtmagazin "Schädelspalter" gelesen habe. Jemand suchte damals Aussteigerinnen und Aussteiger, die zur Neuapostolischen Kirche, zu den Zeugen Jehovas und Mormonen gehört hatten. Diese Anzeige erregte meine Aufmerksamkeit, es folgten Recherchen meinerseits, die in Buchveröffentlichungen, Zeitungsartikel und Radiosendungen mündeten.

Dann kam die Sprache auf die Großmutter aus Leverkusen, die wegen ihrer kritischen Haltung zu den Zeugen Jehovas ihre Enkel nicht sehen darf, auf den Prozess vor dem Landgericht in Hamburg,  bei dem sich der Münchner als Zeuge zur Verfügung stellte und zum ersten Mal behauptete, er sei Ältester gewesen. Was der Anwalt der Zeugen Jehovas sogleich bestritt. Schon waren wir in München und bei der Versicherung an Eides Statt, in der von dem Münchner diese Behauptung wiederholt wurde.

Zu Protokoll genommen worden ist auch: Der Anwalt der Zeugen Jehovas möge in diesem Ermittlungsverfahren gegen den Münchner ebenfalls vernommen werden.

20. Januar 2010
Der Nächste bitte

Mir ist soeben mitgeteilt worden: In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wird am 3. Februar der nächste Zeuge vernommen.

7. März 2010
Ermittlungen dauern an

6. Mai 2010
Ermittlungen eingestellt

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren wegen falscher Versicherung an Eides Statt eingestellt. Aus der Begründung: "Hinsichtlich der Behauptung, er sei auch Ältester, d. h. ein leitendes Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen, handelt es sich um eine auslegungsfähige Aussage, so dass insoweit bereits eine inhaltliche Unrichtigkeit nicht nachzuweisen ist."

8. Mai 2010
Zum Tatvorwurf nicht geäußert

Zur Klarstellung noch dieser Auszug aus dem Schreiben der Münchner Staatsanwaltschaft: "Der Beschuldigte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen; andere Beweismittel, die eine Täterschaft beweisen würden, liegen nicht vor."