Samstag, 2. November 2013

Putzig

Seltsam im Nebel zu wandern

Zwei Randgruppen, die mehr oder weniger zu den christlichen Glaubensgemeinschaften gezählt werden, tappen immer mehr im Dunkeln. Die Zeugen Jehovas, die 1914 erlebt haben, erlebten das Reich Gottes doch nicht. Die Neuapostolische Kirche, für die spätestens im Jahre 2000 das Reich Gottes hätte da sein müssen, leben wie wir alle im Jahre 2013. Das macht sie spitzfindig. 1914 ist weiterhin bedeutend, sagen die Zeugen Jehovas, den Rest haben wir irgendwie missverstanden. 2000 hat zwar nicht gestimmt, aber lange dauert es nicht mehr, sagt die Neuapostolische Kirche. Die einen sitzen am "Kanal Gottes" und leben "in der Wahrheit", die anderen zählen früher Schlechtes zum heute möglicherweise doch Gutem, sind aber vermutlich doch noch ein wenig besser als andere. Nichts Genaues weiß man eben nicht. Die Zeugen Jehovas und die Neuapostolische Kirche wissen das etwas besser und verhauen sich jedes Mal dermaßen, dass jeder Handwerker für so viele Fehler längst seinen Gesellenbrief los geworden wäre.

Nun stellen wir uns alle einmal vor, es gäbe ein höheres Wesen. Dann schnappen wir uns dieses Wesen und denken es uns so lange immer kleiner, bis es in unsere Vorstellungswelt passt? Dann ist das höhere Wesen auch zuständig für solche Formulierungen: "Die Sexualität in der Ehe soll von Wertschätzung und Einfühlungsvermögen geprägt sein. Wenn gegenseitiges Einverständnis und Liebe im Vordergrund stehen, kann die Sexualität als ein wichtiges Bindeglied die eheliche Gemeinschaft stärken und zum Wohlbefinden beider Ehepartner beitragen"? (Katechismus der Neuapostolischen Kirche).

Lächerlicher geht es doch gar nicht mehr. Wo bleiben denn da Lust und Leidenschaft, wo der Spaß an der Freude, wo das Verrückte und Überraschende? Die entsprechende Formulierung für das Mittagessen in der Ehe würde übrigens so klingen: "Das Mittagessen in der Ehe soll von Nahrhaftigkeit und guten Zutaten geprägt sein. Wenn gemeinsamer Hunger und Appetit im Vordergrund stehen, kann das Mittagessen als ein wichtiges Element die Eheleute stärken und zum Wohlbefinden beider Ehepartner beitragen." Das erzählen Sie einmal einem Franzosen!

Liest man den Unfug, den diese beiden Glaubensgemeinschaften verbreiten, dann fallen einem sofort die gestelzten, unbeholfenen und verklemmten Sichtweisen auf. Und ein höheres Wesen teilt diese Auffassungen und will sie sogar durchgesetzt wissen? Was unterscheidet dieses höhere Wesen dann noch von einem missmutigen Nachbarn, der alles kontrolliert, was im Haus geschieht? Die Zeugen Jehovas behaupten sogar, dieses höhere Wesen habe eine Organisation auf Erden. Schönen Dank für das Gespräch!

Wie neidisch müsste dieses höhere Wesen denn dann werden, wenn sich Liebespaare necken und nicht voneinander lassen können? Wenn er sie in Gedanken auszieht und sie ihn fragt, ob sie für ihn das Schönste, Wildeste und Zauberhafteste auf dieser Welt ist, dann kriegen die beiden die Steinplatte mit dem ersten Gebot auf den Kopf? Ist sie auch noch mit einem anderen verheiratet, dann wird er mit dieser Steinplatte erschlagen?

Aus Erfahrung weiß ich, wie diese Sektenmitglieder auf Ungewöhnliches reagieren. Kaum habe ich erzählt, dass ich eine Frau, mit der ich zusammen gewesen bin, besucht habe und ihr Freund dabei gewesen ist, schon schaute man mich an, als hätte ich gerade von einem Bankraub berichtet. Mehr Verständnis hätten die wahrscheinlich gezeigt, wenn ich gesagt hätte, dass ich dieser Frau aus dem Weg gehe. 

Das Wichtigste bei den Zeugen Jehovas und in der Neuapostolischen Kirche ist die Gedankenpolizei, von der sich jedes Mitglied begleiten lassen soll. Alles, was aufregend, neu und unerhört sein könnte, wird tabuisiert. Bis die Menschen so krank sind, dass sie sich mit Neid, Missgunst, Hass, Verzweiflung und Angst herumplagen. Und das soll ein höheres Wesen so wollen? 

Das glaube ich nicht. Weil ich mich gern verzaubern lasse und dann keinen meiner Gedanken mehr kontrolliere. Kontrolle mögen Gedanken nicht. Sie sterben dann...