Die Frage nach der "wahren Freundschaft" mit Zeugen Jehovas
Als Redakteur lernt man, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten. Aber Fragen, die nur einfach klingen, sind durchaus möglich. Eine hat gestern die "Neue Westfälische" gestellt. Sie lautete: "Könnten Sie sich vorstellen, mit einem Mitglied der Zeugen Jehovas eng befreundet zu sein?" Trotzdem wurden bisher 200 Stimmen abgegeben. Ein Drittel kann sich eine "enge Freundschaft" vorstellen.
Da aber zu einer wirklichen Freundschaft gehört, dass man den anderen so akzeptiert wie er ist, dass man sich die Wahrheit sagt, dass man zueinander hält, dass man sich Kritik anhört und über sie nachdenkt, dass man sich nicht verstellt, ist eine "enge Freundschaft" nicht einmal denkbar.
Der Zeuge Jehova müsste geradezu versessen darauf sein, seinen Freund zu bekehren, denn nur so kann er ihn schützen. Alles andere wäre aus seiner Sicht verantwortungslos. Das wird ihm bei jeder Versammlung der Zeugen Jehovas eingetrichtert. Er könnte einen "wahren Freund", der nicht zu seiner "Glaubensgemeinschaft" gehört, gar nicht so nehmen, wie er ist.
Wer nicht zu den Zeugen Jehovas gehört, dem steht angeblich Schlimmes bevor. Welcher "wahre Freund" würde einen Freund nicht vor Unglück bewahren wollen, das nach seiner Meinung einfach zu vermeiden ist? Per Beitritt. Eigene Meinung abgeben und die Meinungsbildung der Leitenden Körperschaft überlassen, ist das Motto dieser Glaubensgemeinschaft.
Die "Neue Westfälische" lässt einen Ältesten der Zeugen Jehovas aus Gütersloh zu Wort kommt, der sich selbst entlarvt. Und somit seine "Glaubensgemeinschaft". Er sagt zum Thema "Medienkontakte": "Wenn es darum geht, Streitgespräche zu führen und jemanden in Misskredit zu bringen, dann werden wir das nicht machen." Abgelehnt werde der Medienkontakt im Zusammenhang mit ehemaligen Mitgliedern.
Heißt: Alle, die gut informiert sein könnten, scheiden gleich als "beste Freunde" aus, weil ein Streitgespräch für einen Zeugen Jehova unangenehm werden könnte. Was aber ist eine "wahre Freundschaft" ohne gleichberechtigten Meinungsaustausch? Nichts weiter, als der Versuch, dem anderen etwas vorzugaukeln oder ein Indiz für Oberflächlichkeit.
Es ist lange her, dass ich den deutschen Chef der Zeugen Jehovas interviewt habe. Meine Fragen beantwortete er mit Zitaten aus den Zeitschriften seiner "Glaubensgemeinschaft". Auch ein Mitglied würde nicht anders reagieren dürfen. Er muss sogar danach leben, sonst gefährdet er sein Heil. Dafür opfert er auch jede "wahre Freundschaft" mit Andersdenkenden. Denn: Anders denken könnte Zweifel hervorrufen. Und der Zweifel ist für die Zeugen Jehovas vom Teufel. Wer möchte schon als "wahrer Freund" eines Zeugen Jehovas irgendwann zum Teufel werden - und das auch noch ahnungslos.
Ein loser Kontakt wäre möglich, so lange man laufend aneinander vorbeiredet oder so tut, als sei man sich einig. Würde der "wahre Freund" aus den Reihen der Zeugen Jehovas diesem Ahnungslosen eines Tages sagen, dass er auf eine Bluttransfusion verzichtet, obwohl sie ihm das Leben retten würde, wäre diese Freundschaft nur noch zum Verzweifeln.
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