Mittwoch, 15. August 2007

Interview mit Jutta Birlenberg

"Zeugen Jehovas zerstören Familien"

Sie stehen in Fußgängerzonen und halten Passanten den “Wachtturm” und “Erwachet” entgegen. Fast alle eilen weiter, die Werbeversuche der Zeugen Jehovas scheinen nicht sehr erfolgreich zu sein. Aber: Diese Glaubensgemeinschaft, deren Geschichte 1881 in Pittsburgh (USA) mit der Gründung der Wachtturm- und Traktatgesellschaft beginnt, hat weltweit 6,7 Millionen aktive Anhänger, in den USA sind es über eine Million, in Deutschland über 160.000.

Sie feiern weder Weihnachten noch Ostern, auch Geburtstage nicht und lehnen Bluttransfusionen ab; ein Zitat aus einer internen Schrift sagt mehr als tausend Worte über Pflicht und Gehorsam in dieser Organisation: “Daher billigt der ´treue und verständige Sklave´ keinerlei Literatur, keinerlei Websites und keine Treffen, die nicht unter seiner Leitung hergestellt oder organisiert werden.” (Anweisung für September 2007)

Will jemand dem “treuen und verständigen Sklaven” nicht mehr folgen, also kein Zeuge Jehovas mehr sein, fällt er erst einmal in ein Loch, weil fast alle bisherigen Kontakte gekappt werden, doch es gibt Organisationen, die sich um diese Menschen kümmern. Eine davon ist “Kinder in destruktiven Sekten” KidS e. V. in Leverkusen. Geleitet wird dieser Verein von einer quirligen, nimmermüden 73-Jährigen, mit der sich Readers-Edition-Autor Heinz-Peter Tjaden unterhalten hat.

Heinz-Peter Tjaden: Tom Cruise und Scientology, Ursula Caberta fordert bei der Präsentation ihres “Schwarzbuches Scientology” ein Verbot dieser Organisation - aber Sie beschäftigen sich mit den Zeugen Jehovas. Was ist das für eine Glaubensgemeinschaft und was werfen Sie ihr vor?

Jutta Birlenberg: Ich werfe den Zeugen Jehovas vor allem die gezielte Zerstörung von Familien vor.

Außerdem, dass sie ihre Mitglieder quasi zu entmündigen versuchen, indem sie ihnen zum einen verwehren, kritische Literatur zu lesen und sie stattdessen nur an der engen und ganz und gar unkritischen “Wachtturm”-Leine führen wollen; zum anderen sogar so weit gehen in ihrer Bevormundung, dass ein Zeuge gehalten ist, eine notwendige Bluttransfusion selbst unter Lebensgefahr abzulehnen.

Heinz-Peter Tjaden: Sie haben einen Verein gegründet. Seit wann gibt es diesen Verein und wie ist es zur Vereinsgründung gekommen?

Jutta Birlenberg: Ich habe den Verein am 20. Januar 1995 gegründet, da ich Ende 1994 schon 30 Sorgerechtsfälle vorliegen hatte und ich keine Juristin bin. Im Februar 1991 verkündete mir meine Tochter mit Ehemann und drei Enkelkindern: “Du verdammtes Biest, du bist nicht mehr unsere Mutter.” Vorangegangen war ein Gespräch mit meinen drei Enkeln über Bluttransfusion.

Heinz-Peter Tjaden: Wer arbeitet bei Kids e. V. mit Ihnen zusammen?

Jutta Birlenberg: Kids e.V. hat in Leverkusen eine ehrenamtliche Mitarbeiterin und drei Anwälte im Verein. Ferner arbeiten wir mit kontakt@ausstieg.Info in Karlsruhe zusammen. Dies ist das Dach für Aussteiger.

Heinz-Peter Tjaden: Wer wendet sich an Ihren Verein?

Jutta Birlenberg: An Kids e.V. wenden sich betroffene Elternteile, überwiegend Väter, die ihre Frauen und Kinder durch das Missionieren an Haustüren sowie in der City an die Organisation verloren haben. Man sollte auch bedenken, dass die einfachen Zeugen Jehovas m. E. von der Wachtturmgesellschaft ( WTG ) zu unterscheiden sind. Für mich sind dies zweierlei Schuhe, da die Menschen m. E. über eine religiöse Schiene gelegt werden, also sehr gläubig gemacht werden, Menschen, Geld und Sachgüter in die Organisation einzubringen. Wenn sie nicht genug dafür tun, schwebt m. E das Wort Angst über ihren Köpfen, Harmagedon nicht zu überleben.

Heinz-Peter Tjaden: Noch einmal zu den Scientologen. Die reagieren sehr aggressiv auf Kritik und nehmen Kritiker aufs Korn. Reagieren die Zeugen Jehovas ähnlich auf die Arbeit Ihres Vereins?

Jutta Birlenberg: Natürlich. Versuche, uns mundtot zu machen, gab es schon.

Heinz-Peter Tjaden: Gehen Sie auch so weit wie Ursula Caberta im Falle Scientology - fordern also auch Sie ein Verbot der Zeugen Jehovas?

Jutta Birlenberg: Nein, ich würde sie nicht verbieten. Denn was verboten wird, erscheint umso reizvoller. Aber die Information und die Aufklärung über diese nach meinen Erfahrungen totalitäre Gruppe beziehungsweise Sekte müssten noch viel weiter gehen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Besonders müssten Schulen, Jugendämter und Richter besser geschult werden, um eine derartige massive Zerstörung von Familien zu verhindern. Denn die Zeugen Jehovas sind immer präsent und versuchen an den Haustüren und auf Straßen und Plätzen Menschen mit verführerischen Versprechen zu täuschen und einzufangen. Das haben sie mit den Scientologen gemeinsam. Es gelingt ihnen immer wieder bei Menschen in einer Krise, die dann hoffen, Hilfe zu finden, in Wahrheit aber in eine schreckliche Abhängigkeit geraten.

Und wenn unsere Politiker nicht möchten, dass sie eines Tages von Vertretern destruktiver Kulte und Sekten abgelöst werden, dann sollten sie diesen Organisationen nicht achtlos den Rücken zuwenden.

Anmerkungen:

Es gibt drei Deutungen für Harmagedon:

Harmagedon ist eine tatsächliche Schlacht zwischen dem Israel der Endzeit und den “Königen aus dem Norden” (Dispensationalismus)
Harmagedon ist ein tatsächlicher Kampf von Jesus Christus (gleichgesetzt mit dem Erzengel Michael) zusammen mit dem Engelheer gegen die Könige der Erde (das politische System) (Zeugen Jehovas)
In Harmagedon werden auch die vernichtet, welche unmoralisch handeln, sowie Spiritisten, Mörder und Götzendiener. (Offenbarung 21 V.8) (s.a.: Wikipedia)

Die Internet-Seiten des Vereins

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