Freitag, 18. Januar 2019

Die Zeugen von Funchal


Unten ein Clownfisch. 
Eine wahre Begebenheit, verpackt in eine Erzählung

Die Basaltsteine werfen das Licht der Sonne zurück, vor einem Zebrastreifen steht ein Aufsteller mit Flyern. Ta geht weiter. Ich ziehe eine Schrift aus der Halterung. Das Titelbild erinnert mich an naive Malerei. Der gemalte Himmel ist sehr blau, die Fische sind es auch, bis auf einige wenige, ganz unten schwimmt Nemo. Die Titel-Frage lautet „A vida-Teve um Criador?“

Aus dem Schatten der Häuser tritt eine Frau, die ich schon nach einer Minute nicht mehr beschreiben kann. Sie nimmt mir die Schrift kurz aus der Hand und dreht sie um. Sie zeigt auf eine Internet-Adresse am Fuße der Rückseite. JW.Org. Ich bedanke mich und gehe über den Zebrastreifen. Ta steht vor einem Kiosk.

„Bist wohl zu geizig, dir eine Bild-Zeitung zu kaufen?“, fragt sie. „Was hast du denn da Schönes?“

Ta hält das Titelbild für so kitschig wie ich, bei Nemo fällt ihr der Film ein.

„Dass die Zeugen Jehovas mit einem Clownfisch Werbung machen, finde ich interessant“, sage ich.

Ta täuscht erst nur Interesse vor.

„Bei den Clownfischen hat eine Frau das Sagen. Sie triezt die Männer den ganzen Tag, so festigt sie ihre Machtposition. Stirbt sie, wird ein Fischmann zur Fischfrau und übernimmt ihre Position. Regiert wird der Schwarm also immer von einer Frau.“

Ta täuscht Interesse nicht mehr nur vor.

„Und ich dachte, die Zeugen Jehovas dulden nur Männer an der Spitze ihrer Organisation. Warum veröffentlichen die dann ein Titelbild mit einem Clownfisch am unteren Bildrand?“

„Diese Sekte gibt eben so manches Rätsel auf.“

Ta will die Schrift in einen Papierkorb stecken. Das verhindere ich. Sie schmunzelt.



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